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Buchbesprechungen

Wie lesen wir die Bibel

Abschreckende Beispiele von einem Literaturprofessor

 


Zusammenfassung

Ein Literaturprofessor stellt - mit einem Augenzwinkern - Klassifikationen für Bücher vor:

Für den Bibelleser fehlen hier ganz offensichtlich einige Kategorien. Trotzdem ist dieses amüsante Buch eine Anregung, darüber nachzudenken, wie wir mit der Bibel umgehen, in welche Kategorie für uns unsere Bibel fällt.

Schlagwörter: Bibel - Bibellesen - Lesen

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Hans Küng
 




Bayard, Pierre. Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat. Aus dem Französischen von Lis Künzli. 221 Seiten. Verlag Antje Kunstmann. 16,90€



Der Titel ist vielversprechend oder provozierend, je nach Standpunkt. Hier plaudert ein Literaturprofessor aus dem Nähkästchen. Er muss in seinem Beruf über viele Bücher sprechen, sie einordnen und bewerten. Wie macht er das eigentlich, wenn er neben dem enormen Lesepensum ganz nebenbei auch noch leben will?

Nun, nach Bayard teilt man seine Bücher am besten in vier Klassen ein:

UB ein unbekanntes Buch
QB ein quergelesenes Buch
EB ein in meiner Anwesenheit erwähntes Buch
VB ein Buch, das ich vergessen habe

(Bayard, Seite 15 Fußnote 1)

Da fällt dem normalen Buchleser auf, dass die Kategorie GB, gelesenes Buch, gänzlich fehlt. Bayard braucht 70 Seiten, um auch auf diesen Gedanken zu kommen und er schreibt dann: Die Aussage, dass man ein Buch gelesen hat, kann ruhig als Metonymie betrachtet werden ... Wir unterhalten uns ... weniger über Bücher als über vage Erinnerungen. Wäre das Wort Metonymie nicht, könnte man meinen, alles sei klar und dieser Satz reiche schon als Antwort auf die Titelfrage: Da auch der normale Buchleser nur über vage Erinnerungen an das gelesene Buch verfügt, gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zu dem, der dieses Buch nur vom Hörensagen kennt.

Aber da sind ja die köstlichen Beispiele, die Bayard aus der (quergelesenen oder auch nicht gelesenen) Literatur zieht.

Da ist z.B. die Geschichte von einem Herrn Montaigne, der sich am Ende eines jeden Buches das Datum notiert, wann er das Buch gelesen hat und dann seine Meinung hinzufügt, die er beim Lesen entwickelt hat. Damit wird schon deutlich, worauf der Autor hinaus will: Wir vergessen ständig, wir vergessen schon, während wir lesen.

Umgekehrt beschreibt der Autor am Beispiel des Mönches William von Baskerville aus dem Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco, wie ein Mensch, der ein Buch nicht kennt, aber immer von dritter Seite davon hört, ein Bild von diesem Buch entwickelt, das überraschend präzise sein kann. Ersetzt also die Tatsache, dass Bayard mit seinen Studenten über Bücher spricht, für ihn die Notwendigkeit, sie zu lesen?

Es ist schon interessant, an den aufmüpfigen Thesen des Autors die eigenen Lesegewohnheiten zu spiegeln.

Aus der Vielzahl der Aspekte sei noch der interessante Begriff der „Deckbücher“ hervorgehoben, den Bayard in Anlehnung an Freuds „Deckerinnerungen“ geprägt hat. Deckbücher sind die Bücher, die in unserem Inneren entstehen, wenn wir über reale Bücher reden, nämlich, so Bayard, „Ersatzobjekte, die zu einem bestimmten Anlass fabriziert werden.“ (S.66)

Verantwortlich für die Tatsache, dass wir beim Lesen das reale Buch nicht objektiv erfassen und verstehen, sind unsere inneren Filter. Wir benutzen sie, um bestimmte Dinge, die in dem realen Buch vorkommen, die wir aber aus irgend welchen Gründen nicht mögen oder die nicht in unser Weltbild passen, einfach aus zu blenden und nicht an uns heran zu lassen. Bayard sprich dabei mit Proust vom inneren Buch. Dies ist ein Aspekt, den jeder einmal für sich persönlich bedenken sollte.

Über die Schlussfolgerung Bayards lässt sich trefflich streiten. Sie ist nach meiner Ansicht die typisch subjektive Weltsicht eines Geisteswissenschaftlers. Erst reden, dann denken. Ruhig über ungelesene Bücher reden, die anderen kennen sie ja auch nicht. Das ist in der Tat sehr befreiend.

Diese Schlussfolgerung ist vielleicht auch richtig für die Masse der Bücher, die man nach landläufiger Meinung der Literaturprofessoren einfach gelesen haben muss. Jeder hat wohl aus der Schule ein schlechtes Gewissen mitgebracht, was er eigentlich noch lesen müsste. Aber da ist der kleine Teil von Büchern, in die ein Autor viel Arbeit, Recherche und eigene Erfahrung an den Leser weiter gibt. Diese Bücher geben mir in einer kurzen und überschaubaren Zeit die Chance, Dinge zu reflektieren, die vielleicht das Ergebnis eines ganzen Arbeitslebens sind. Diese Bücher lohnen den mühsamen Weg des Lesens, denn sie ersparen mir viele gedankliche Umwege. Der Rest der Bücher kann getrost in der Kategorie UB bleiben. Aber dies ist nur meine unbedeutende Meinung, ganz offensichtlich hat mich die Naturwissenschaft daran gehindert, in die Tiefen der Geisteswissenschaften ein zu dringen.

Mich hat das Buch von Bayard auch und gerade unter dem Aspekt des Bibellesens fasziniert. Eröffnet uns Bayard einen Weg, wie man ohne Vorbereitung einen erbaulichen Hauskreisabend über einen Bibeltext gestalten kann? In welche Kategorie gehört eigentlich die Bibel für mich? UB? QB? oder gar nur EB? oder schon VB?

Bin ich vielleicht so ein Mönch William von Baskerville, der einfach genug von der Bibel gehört hat, so dass er getrost mitreden kann über etwas, das er nie selbst gelesen hat? Und wie sieht es denn mit meiner inneren Bibel aus? Wie viele Filter überlagern die reale Bibel, so dass ich immer wieder die Bibelstellen lese, die mich so schön und seit Jahren bestätigen? Zu diesem Deckbuch gibt es eine biblische Parallele. Als Moses vom Sinai zurück kommt und zum Volk spricht, liegt der Abglanz der Gegenwart Gottes, die Moses auf dem Berg erlebt hat, noch auf seinem Angesicht. Da verlangt das Volk, dass er eine Decke vor sein Angesicht hält, weil das Volk selbst den Abglanz der Gegenwart Gottes nicht ertragen kann. (2. Moses 34 und 2. Korinther 3, 12 ff)

Ja, in der Tat, die Menschen, die Bayard hier aus der Literatur skizziert, sind unter uns. Mit Montaigne und dem Mönch William habe ich nur zwei Beispiele vorgestellt, Bayard hat weitere köstliche Episoden parat. Sie sind ehrenwerte Christen und wissen trefflich zu allen Fragen des Lebens und der Bibel zu diskutieren. So kann man auch gerade unter dem Aspekt des Bibellesens das Buch von Bayard mit großem Vergnügen lesen, allerdings ist dem geschulten Bibelleser klar, dass es dabei nicht so sehr darum geht, das Bibelleseverhalten meines Nächsten zu karikieren. Den größten Gewinn habe ich immer dann, wenn ich mich selbst kritisch hinterfrage.







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