Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens
(Johannes 6, 59) Solches sprach er, als er in der Synagoge zu Kapernaum lehrte. (60) Viele nun von seinen Jüngern, die solches hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? (61) Da aber Jesus bei sich selbst merkte, daß seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ist euch das ein Ärgernis? (62) Wie denn, wenn ihr des Menschen Sohn dorthin auffahren sehet, wo er zuvor war? (63) Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt gar nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben. (64) Aber es sind etliche unter euch, die nicht glauben. Denn Jesus wußte von Anfang, wer die seien, die nicht glaubten, und welcher ihn verraten würde. (65) Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben! (66) Aus diesem Anlaß traten viele seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit ihm. (67) Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr nicht auch weggehen? (68) Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. (69) Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes bist! (70) Jesus antwortete ihnen: Habe ich nicht euch Zwölf erwählt? Und einer von euch ist ein Teufel! (71) Er redete aber von Judas, Simons Sohn, dem Ischariot; denn dieser sollte ihn verraten, einer von den Zwölfen. Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die Jesu Rede für zu hart, für erklärungsbedürftig, für nicht in die Zeit passend empfunden haben. Es ist also nicht ein besonderer Schmerz, den wir heute in unserer Zeit erleben, sondern es ist etwas, was die Kirchengeschichte von Anfang an begleitet und was auch für unseren HERRN selbst täglicher Begleiter ist. Sicherlich tut es besonders weh, wenn Menschen, die einem nahe stehen, zu Spöttern über das Wort Gottes werden, weil sie meinen, sie hätten verstanden, was man heute noch glauben kann und was nicht.
Diese Menschen erkennen mit Leichtigkeit, wo unsere Probleme sind und wissen, wie wir sie lösen: Indem wir das Wort Gottes als Ganzes ignorieren und statt dessen die Stellen rot (oder besser gesagt grün) anstreichen, die uns der Zeitgeist als unbedenklich oder gar hilfreich darstellt. Dies tut auch unserer persönlichen Karriere gut, denn viele Menschen werden uns zustimmen, man wird uns zitieren, wir werden nicht als Fundamentalisten beschimpft...
Wenn wir dies nicht tun, dann erleben wir vielfach eine große Einsamkeit. Wenn eine örtliche Gemeinde oder gar eine ganze Kirche abdriftet in das Fahrwasser der Unverbindlichkeit, dann wird es für uns schwer, wie wir uns verhalten sollen.
- Gehen wir, dann verlieren wir unseren Freundeskreis, den wir - vielleicht sogar über Jahre oder Jahrzehnte - aufgebaut haben.
- Bleiben wir und schweigen, dann ist das wie eine innere Emigration, von außen wird es vom flüchtigen Beobachter wie stilles Einverständnis wahrgenommen.
- Bleiben wir und kämpfen wir dagegen an, isolieren wir uns noch um so mehr und laufen Gefahr, unsere eigentliche Botschaft, die Liebe Jesu zu verkündigen, aus den Augen zu verlieren.
- Gründen wir gar eine neue Gemeinde, so trennen wir den Leib Christi ein weiteres Mal. Hat nicht unser HERR in seinem hohenpriesterlichen Gebet nach Abschluss seines Wirkens genau diese Einheit als seine zentrale Bitte vor unseren Gott und Vater gebracht.
Besonders schlimm wird es, wenn wir dann von Menschen, die uns nahestehen, angegangen werden: „Du nimmst Dich viel zu ernst...“ Wie mag es Hiob ergangen sein, als er zunächst das Unglück seiner Kinder mit ansehen musste und dann selber krank geworden war und nun seine Frau auf ihn zukam:
(Hiob 2, 9) Da sprach sein Weib zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit? Sage dich los von Gott und stirb! (10) Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie ein törichtes Weib redet. Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Bei alledem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. Einigen wird bei diesem Vers nur auffallen, dass hier ein Mann sehr pauschal formuliert: „wie ein törichtes Weib redet.“ Damit ist der Text eigentlich schon durch das Raster gefallen. Führen wir uns einmal die Situation vor Augen führen, dass ein Mann, der ganz oben stand, nun auf einmal im Dreck liegt und sich von seiner eigenen Frau anhören muss: „Sage dich los von Gott und stirb!“ Dies muss für Hiob ein Moment tiefen Schmerzes gewesen sein.
Und damit sind wir wieder bei dem Johannestext, in dem Jesus seine Jünger fragen muss: „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ Ihm war klar, dass er, um seine Mission zu erfüllen, bald ans Kreuz gehen musste. Er hat den großen Triumph nie gesucht, er hat dem Satan widerstanden, der ihm die Erde untertan machen wollte.
(Matthäus 6, 8) Wiederum nimmt ihn der Teufel mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit (9) und spricht zu ihm: Dieses alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Und nun muss er damit leben, dass auch dieser ganz kleine Kreis von Menschen, die er um sich versammelt hat, bedroht ist. Welchen Schmerz mag Jesus empfunden haben, als er diese Frage stellte. Es ist Petrus, der diese Frage ein für alle Mal gültig beantwortet: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. (69) Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes bist!“
Wenn wir unsere persönliche Situation reflektieren, dann vergessen wir oft, das Mitleiden des Himmels uns vor Augen zu stellen. In der Offenbarung wird uns ein kleiner Einblick in dieses Geschehen gegeben:
(Offenbarung 6, 9) Und als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die hingeschlachtet worden waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. (10) Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Wie lange, o Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen? (11) Und es wurde einem jeden von ihnen ein weißes Kleid gegeben, und es wurde ihnen gesagt, daß sie noch eine kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet wären, die auch sollten getötet werden, gleichwie sie. Wie werden diese Märtyrer zu Gott gefleht haben, als sie die Verbrechen der Nazis erlebt haben. Wie werden sie vor Gott flehen, wenn sie die Hybris mancher Kirchführer sehen, die mit ihrem Geschwätz und ihrer Selbstbezogenheit ganze Kirchen in die irre leiten.
Was lehrt uns dieses Wort. Wir stehen mit unserem Leiden an der Welt und leider auch an der eigenen Kirche nicht allein, sondern dieses Leiden muss im Himmel noch viel stärker sein. Denn dort ist der HERR, der nur ein Wort zu sprechen braucht und der ganze Nazi-Spuk wäre verschwunden. Aber dieser HERR sagt den Heiligen: „Ich habe ihnen bis 1945 Zeit gegeben...“
Nun soll hier nicht alles in einen Topf geworfen werden. An dem Extrembeispiel der Nazis soll nur verdeutlicht werden, dass Gott selbst in dieser extremen Situation eine Zeit gegeben hat und - mit leidend - dem Druck der Stimmen im Himmel standgehalten hat, die dieses „Wie lange, o Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger,...“ ertragen hat.
Trotzdem bin ich sicher, dass der Himmel mit leidet, wenn seine Kirche sich immer weiter und ganz offen und unverschämt in der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes von seinem Wort entfernt, wenn sie die Bibel gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen und die verspotten, die dies tun, wenn sie den, der durch seinen Heiligen Geist dieses Wort inspiriert hat, des Irrtums zeihen: Hier hast Du etwas falsch gemacht. Und was Du dort zugelassen hast, ist ja wirklich nur peinlich... Niemand wird so reden, aber das Verhalten vieler drückt doch diese Einstellung aus, wenn Sie mehr auf politische Zweckmäßigkeit als auf das Wort selber achten.
Es gibt keinen allgemeingültigen Weg aus diesem Dilemma. Ein jeder muss sehen, wie er durch den Geist Gottes geführt wird. Hus verbrannte auf dem Scheiterhaufen, Luther wurde der große Reformator. Ist Gott ungerecht? Nein, Gott hat Zeiten gesetzt, in denen das Böse sich austoben kann. Er kann dies tun, weil er weiß, dass für die Heiligen der Weg nicht auf dem Scheiterhaufen endet, sondern die Engel, die bei Daniel in der Löwengrube saßen, werden auch bei Hus im Scheiterhaufen gestanden haben. Aber es gilt das Wehe, das Jesus gegenüber dem Verräter ausspricht: „(Matthäus 26, 24) Des Menschen Sohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; aber wehe dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird! Es wäre diesem Menschen besser, daß er nicht geboren wäre.“
Diese Warnung an jeden, der meint, er sei schlauer als das Wort Gottes und könne den Heiligen sagen, was sie glauben sollen und was lieber nicht, muss ausgesprochen werden, damit vielleicht der eine oder andere in seiner Hybris innehält und sich die Frage stellt: „HERR, bin ich's?“ Dies ist zwar wenig wahrscheinlich, weil ihnen ihre Karriere kaum Zeit dafür lässt. Aber Gott kann es schenken.
Auf der anderen Seite müssen wir ja zugeben, dass wir alle durch das Wort Gottes an unsere Grenzen geführt werden und sagen müssen: „Das kann ich gar nicht glauben.“ Dies ist ganz natürlich, denn es ist Gottes Wort. Wer auch nur rudimentär über ein Wort wie GOTT nachdenkt, der muss zugeben, dass es impliziert, dass dieser Gott weit über unseren Verstand hinausgehen muss. Dies sollte uns zur Demut leiten. Manchmal verstehe ich das Wort Gottes auch nicht. Die einen Schreiben dann über solch eine Stelle eine theologische Dissertation und begründen, warum es da gar nicht hingehört oder später hinzugefügt ist oder was auch immer. Ich stehe dann etwas einfältig vor meinem Gott und sage: „HERR, ich verstehe das nicht.“ Das macht zwar wissenschaftlich keinen so guten Eindruck, ist aber im Ergebnis dasselbe. Wie wird Gott einmal urteilen. Dies überlassen wir ihm und hoffen auf Vergebung auch für die, die sein Wort nicht verstehen. Und dies schließt die ein, die daraus in Ihrer Dissertation viel zitatfähigen Unsinn fabrizieren, genauso wie die, die daran schuldig werden, weil sie über das Wort nicht predigen und schweigen, weil sie es halt nicht verstehen.
Und damit sind wir bei dem Hauptthema der Passionszeit: VERGEBUNG.
Christus ist am Kreuz gestorben, damit wir Vergebung unserer Schuld empfangen.
Möge es so sein, dass die Passionszeit unseren Blick auf die gewaltige und die Welt verändernde Kraft der Vergebung lenkt und unsere innere Toleranz gegenüber unserem Nächsten erhöht und stärkt, weil unser HERR, Jesus Christus, auch für diesen Nächsten gestorben ist. Und möge uns die Passionszeit deutlich machen, was dies praktisch für uns bedeutet.
(Psalm 73,1) Ein Psalm Asaphs. Nur gut ist Gott gegen Israel, gegen die, welche reinen Herzens sind. (2) Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, wie leicht hätte ich einen Mißtritt getan! (3) Denn ich beneidete die Übermütigen, als ich den Frieden der Gottlosen sah. (4) Denn sie leiden keine Qual bis zu ihrem Tod, und ihr Leib ist wohlgenährt. (5) Sie werden nicht bemüht wie andere Leute und nicht geschlagen wie andere Menschen. (6) Darum schmücken sie sich stolz und kleiden sich frech. (7) Ihr Gesicht strotzt von Fett, sie bilden sich sehr viel ein. (8) Sie reden höhnisch und boshaft, drohen mit höherer Gewalt. (9) Sie reden, als käme es vom Himmel; ihre Worte haben Geltung auf Erden. (10) Darum wendet sich auch das Volk ihnen zu, und es wird von ihnen viel Wasser aufgesogen. (11) Und sie sagen: «Was merkt Gott? Weiß der Höchste überhaupt etwas?» (12) Siehe, das sind die Gottlosen; denen geht es immer gut, und sie werden reich! (13) Ganz umsonst habe ich mein Herz rein erhalten und meine Hände in Unschuld gewaschen; (14) denn ich bin doch täglich geschlagen worden, und meine Strafe ist alle Morgen da! (15) Wollte ich auch so rechnen, siehe, so würde ich das Geschlecht deiner Kinder verraten. (16) So sann ich denn nach, um dies zu verstehen; aber es schien mir vergebliche Mühe zu sein, (17) bis ich in das Heiligtum Gottes ging und auf ihr Ende merkte. (18) Nur auf schlüpfrigen Boden setzest du sie; du lässest sie fallen, daß sie in Trümmer sinken. (19) Wie geschah das so plötzlich und entsetzlich! Sie gingen unter und nahmen ein Ende mit Schrecken. (20) Wie einen Traum nach dem Erwachen, so wirst du, o Herr, wenn du dich aufmachst, ihr Bild verächtlich machen. (21) Als mein Herz verbittert war und es mir in den Nieren wehe tat, (22) da war ich dumm und verstand nichts; ich benahm mich wie ein Vieh gegen dich. (23) Und doch bleibe ich stets bei dir; du hältst mich bei meiner rechten Hand. (24) Leite mich auch ferner nach deinem Rat und nimm mich hernach mit Ehren auf! (25) Wen habe ich im Himmel? Und dir ziehe ich gar nichts auf Erden vor! (26) Schwinden auch mein Fleisch und mein Herz dahin, so bleibt doch Gott ewiglich meines Herzens Fels und mein Teil. (27) Denn siehe, die fern von dir sind, kommen um; du vertilgst alle, die dir untreu werden. (28) Mir aber ist die Nähe Gottes köstlich; ich habe Gott, den HERRN, zu meiner Zuflucht gemacht, um zu erzählen alle deine Werke.