Predigt über Römer 1,8-12 Die Gnadengabe der Begegnung Begegnung zwischen Christen ist ein Gottesgeschenk, mehr als ein Treffen oder ein Besuch. Zusammenfassung Paulus spricht im Römerbrief davon, dass er die Gemeinde in Rom gerne besuchen möchte, um ihr etwas geistliche Gabe mitzuteilen. Man kann darüber spekulieren, was das wohl sei. In dieser Predigt wird dem Gedanken nachgegangen, dass in der Begegnung von Christen, im Einswerden, wie es das hohepriesterliche Gebet Jesu erbittet, Geist Gottes wirksam wird und die Gemeinde beschenkt. Damit mündet die Predigt in den Aufruf, mehr von diesem Gnadengeschenk des Heiligen Geistes Gebrauch zu machen. Diese Predigt ist spontan entstanden, als wir auf einer Urlaubsreise nach Griechenland in Mihaelowgrad, Bulgarien, Station machten, um dort eine kleine Gemeinde zu besuchen. Wir hatten eine Spende dorthin geschickt und wollten die Gelegenheit nutzen, die Gemeinde persönlich kennenzulernen. Wir hatten mit dem Pastor verabredet, uns vor der Gemeinde zu treffen. Als wir ankamen, war aber die ganze Gemeinde versammelt und sie erwarteten von mir eine Predigt. Ich war völlig unvorbereitet, denn dies war nicht so verabredet. Ich hatte aber meine Bibel mit und immer schon einmal vorgehabt, über die Gnadengabe der Begegnung zu sprechen. Hier musste es nun auf Englisch sein und wurde ins Bulgarische übersetzt. Ich verstehe kein Bulgarisch und kann daher nicht sagen, was dort von meiner Predigt ankam. Später habe ich dann diese Predigt in Deutschland und auf Deutsch noch einmal gehalten. Dieses ist der Text der in Deutschland gehaltenen und aufgearbeiteten Predigt. Der Text zur Predigt aus Römer 1,8-12 Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, daß euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird. Denn Gott, welchem ich in meinem Geist diene am Evangelium seines Sohnes, ist mein Zeuge, wie unablässig ich euer gedenke, indem ich allezeit in meinen Gebeten flehe, ob mir nicht endlich einmal durch den Willen Gottes das Glück zuteil werden möchte, zu euch zu kommen. Denn mich verlangt darnach, euch zu sehen, um euch etwas geistliche Gabe mitzuteilen, damit ihr gestärkt werdet, das heißt aber, daß ich mitgetröstet werde unter euch durch den gemeinschaftlichen Glauben, den euren und den meinen. Soweit der Bibeltext. Vor einer Reise stellt man sich viele Fragen: * Was richte ich mit solch einem Besuch eigentlich an? * Wie wird die Verständigung sein? * Was wird mit meinem Fahrzeug an dem fremden Ort sein? * Und wie steht es um meine persönliche Sicherheit? In unserem Leben ereignen sich die vielfältigsten Begegnungen: Da sind einmal die „normalen“ Begegnungen, * wenn die Kinder morgens zur Schule gehen und ihre Klassenkameraden treffen * wenn die Kinder aus der Schule nach Hause kommen und ihre Erlebnisse den Eltern erzählen wollen * wenn man morgens zur Arbeit geht und die Kollegen trifft * wenn abends müde nach Hause kommt und mit den Fragen der Familie konfrontiert ist * wenn sich der Hauskreis trifft * wenn sich die Gemeinde am Sonntag zum Gottesdienst trifft Dann sind da die außergewöhnlichen Begegnungen, * wenn ein seltener Besuch kommt * wenn ein Neuer/eine Neue im Hauskreis ist * wenn jemand Fremdes in den Gottesdienst kommt * wenn wir zu einer Sitzung eines Entscheidungsgremiums gehen Dann gibt es die spannungsgeladenen Begegnungen, * wenn wir in eine Krisensitzung gehen müssen * wenn wir kontroverse Gespräche führen müssen * wenn wir ein Vorstellungsgespräch haben * wenn wir ein Prüfungsgespräch als Prüfer oder Geprüfter führen müssen Begegnung bedeutet immer Anspannung, Konzentration, Kraft, Disziplin. Lohnt sich das? Im hohenpriesterlichen Gebet Jesu hat die Einheit der Christen einen ganz hohen Stellenwert (Johannes 17,22-23): Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind. Ich in ihnen und du in mir, auf daß sie zu vollendeter Einheit gelangen, damit die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst. Jesus schenkt uns die Herrlichkeit, die er vom Vater empfangen hat … Also ist der Bruder oder die Schwester, der ich begegne, beschenkt mit der Herrlichkeit, die vom Vater kommt. Stellt euch vor, ihr hättet Gelegenheit, Euch persönlich mit einem Prominenten zu unterhalten, eine Persönlichkeit, die andere nur aus der Zeitung kennen. Das würde sich doch kaum einer entgehen lassen. Da hätte man später doch etwas zu erzählen. Da würde ein wenig von dem Glanz des Prominenten doch auch auf uns fallen. Der Bruder und die Schwester sind mit der Herrlichkeit des lebendigen Gottes beschenkt. In der Begegnung mit ihm fällt etwas von diesem Glanz Gottes auf mich. Und da meldet sich gleich der Versucher: Sollte Gott wirklich gesagt haben: „Und die Herrlichkeit habe ich ihnen gegeben!“(?) … Möglicherweise gilt dies nur für besonders herausragende Christen, oder Jesus dachte in seinem Gebet nur an seine Jünger, die Apostel … Sollte es etwa für alle gelten? Oder manch einer denkt: Herrlichkeit, welch ein Wort, damit kann ich gar nichts anfangen. Ich bin ein ganz normaler, durchschnittlicher Mensch. und muss sehen, wie ich zu Recht komme. Herrlichkeit - das ist nichts für mich, mein Leben spielt sich in anderen Dimensionen ab. Merkt ihr, wie wir unsere Begegnungen belasten? * Einerseits, weil wir uns selber klein machen oder auch schäbig und unbedeutend … „Was soll's, was springt dabei heraus?“ * Andererseits, weil wir den anderen klein machen: „Was kann der mir schon geben? Das kenn ich doch schon auswendig, was der oder die mir erzählt …“ Und doch ist dies eine ganz besondere Erkenntnis (Kolosser 1,26-27): nämlich das Geheimnis, das vor den Zeitaltern und Geschlechtern verborgen war, nun aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Völkern sei, nämlich: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Achten wir genau auf das Wort: Christus in EUCH - Plural NICHT: Christus in mir SONDERN: Christus in uns Jeder von uns hat persönliche Erfahrungen mit Jesus. Aber die großen Erfahrungen machen wir, wenn wir als Gemeinde eins werden … o …im Gebet o …in der Fürbitte o …im Danken o …im Lobpreis Als Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat stehen und ihnen verboten wird, weiter im Namen Jesu zu reden oder zu lehren, wann erbebte da die Erde? Als Petrus mutig antwortete: „Entscheidet ihr selbst, ob es vor Gott recht ist, euch mehr zu gehorchen als Gott; denn es ist uns unmöglich, nicht von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.?“ (Apostelgeschichte 3,19-20)? Nein, die Erde erbebte, als die Gemeinde einmütig ihre Stimme erhebt und betet (Apostelgeschichte 3,24-32). Sicherlich, Christus wirkte auch in Petrus dieses mutige Wort. Christus wirkt in jedem von uns. Aber wir machen auch die schmerzliche Erfahrung, wie oft wir uns täuschen. Wir brauchen die Gemeinde der Gläubigen, damit sie uns korrigiert und vor Täuschung bewahrt. An Timotheus schreibt Paulus von dem Haus Gottes (1.Timotheus 3,15): falls ich aber verzöge, damit du wissest, wie man wandeln soll im Hause Gottes, welches die Gemeinde des lebendigen Gottes ist, Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit. Nicht die Gemeindeleitung, nicht besonders begabte Lehrer, nicht die Apostel oder ein wie auch immer gearteter apostolischer Stuhl, nein, die Gemeinde als Ganzes ist die Grundfeste der Wahrheit, einer Wahrheit, von der Jesus sagt (Johannes 14,6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben!“ Paulus schreibt nun an die Gemeinde in Rom, dass es ihn sehr verlange, sie zu sehen, „damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile.“ (Römer 1,11) Was bedeutet dies? Ist es ein besonderes Charisma, das Paulus nach Rom mitbringt? Will er sich damit vielleicht besonders interessant machen: „Bei mir könnt ihr etwas lernen, was ihr in eurer müden Gemeinde sonst nicht zu sehen bekommt!“ (?) - NEIN - Diese geistliche Gnadengabe, von der Paulus spricht, vollzieht sich in der Begegnung mit den Christen in Rom. Wenn Christen eins werden, wenn sie aufeinander zugehen, kann der Geist Gottes unter ihnen wirken. In der Begegnung von Christen liegt eine große Verheißung (Matthäus 18,20): „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ sagt Jesus. Und wenn Jesus Christus gegenwärtig ist, dann bewegt sich etwas. Das heißt nicht einfach, dass er halt da ist. Dann wirkt sein Geist unter uns und verändert uns, führt uns einen Schritt weiter. In Jerusalem erbebte die Erde, als die Gemeinde betete. So betrifft uns dieser Text ganz konkret. Er ruft uns als Gemeinde zusammen: o Zur Begegnung im Gottesdienst o Zum persönlichen Gespräch in den Hauskreisen o Zu Besuchen hin und her in den Häusern o Zur Mitverantwortung in der Gemeinde-Mitgliederversammlung Wo ist eigentlich der Platz in der Gemeinde, wo wir gemeinsam und nicht nur zu zweit oder dritt über der Bibel arbeiten und unsere Unterschiedlichkeit und unsere Vielfalt fruchtbar werden lassen, indem wir voneinander lernen? Wenn eine solche Bibelstunde angesetzt wird und die Initiatoren nach einer gewissen Anstandsfrist wieder nach Hause gehen, weil niemand sonst gekommen ist; dann hat uns das etwas zu sagen. Es wäre ja nicht so schlimm, wenn wir uns in großer Zahl hin und her in den Häusern treffen würden und ein Austausch zwischen den Hauskreisen bestände. Es ist wichtig, dass wir Begegnungen in der Gemeinde haben, die die Mauern und Mäuerchen der Isolation und der Abgrenzung überwinden und den Raum schaffen, in dem der Geist Gottes wirken kann. Und worin besteht diese Wirkung? Es wäre eine Predigt für sich, dies zu entfalten. Drei Punkte möchte ich hervorheben: o In Hebräer 13,9 heißt es: Lasset euch nicht von mancherlei und fremden Lehren umhertreiben; denn es ist gut, daß das Herz durch Gnade befestigt werde, nicht durch Speisen, mit welchen sich abzugeben noch niemand Nutzen gebracht hat. Die Gemeinde ist der Raum, in dem das Herz in einem guten Sinn fest werden kann. Die Welt ist dazu angetan, unser Herz hart zu machen, weil wir uns gegen Lieblosigkeit und Kälte schützen müssen. Auch Isolation führt zu einem harten Herzen. Ein festes Herz ist fest gegründet in Gottes Wort, in die Wegweisung durch den Heiligen Geist, so dass es nicht ständig hin- und hergerissen ist. o Trost: Jeder, der schon einen Menschen verloren hat, weiß, dass die schlimmste Zeit die ist, wenn die Besuche aufhören, wenn eigentlich alles wieder geordnet ist und nun eine neue und einsame Normalität beginnt. Die Gemeinschaft der Gläubigen bedeutet Trost, wann immer wir Leid oder Lasten zu tragen haben. o Glauben: Dies ist das größte Geschenk der Gemeinschaft. Es ist ein Geschenk der Gemeinschaft der Gläubigen. Indem ich den Glauben meiner Brüder und Schwestern sehe, wird mein eigener Glaube gestärkt. In der Begegnung und insbesondere auch in der inneren Auseinandersetzung mit dem Glauben und dem Zeugnis anderer Menschen formt sich mein eigener Glaube und wächst. Dies ist mein Wunsch für uns alle, dass wir die Gnadengabe der Begegnung reichlich betätigen, o damit die Mauern und Mäuerchen zwischen uns überwunden werden o damit der, der draußen steht begeistert wird von der Liebe und menschlichen Wärme, die er in der Gemeinschaft der Gläubigen empfindet o damit der, der am Rande steht, sich plötzlich im Mittelpunkt wiederfindet o damit wir reichlich wachsen im Glauben, o damit reichlich Trost unter uns ist, o damit die Bitte unseres HERRN erfüllt wird, dass die Gemeinde hier am Ort in Eins vollendet sei, damit der ganze Ort erkennt, dass DU, Gott Vater, Jesus Christus gesandt hast und diese Gemeinde hier am Ort so geliebt hast, wie DU deinen Sohn Jesus Christus geliebt hast. AMEN