Predigt zu Johannes 16,33 Überwindung der Angst Eine Predigt zum Jahresbeginn Zusammenfassung Jesus macht uns keine Versprechungen, dass es uns immer gut gehen wird. Im Gegenteil, er zeigt uns, dass auch wir mit Verfolgungen zu rechnen haben. Dies war zu allen Zeiten so und ist auch heute für viele Christen schreckliche Wirklichkeit. Aber Jesus möchte, dass wir bei dieser Selbstbespiegelung nicht stehen bleiben, sondern getrost sind, weil er die Welt überwunden hat. Und dieses Wort „getrost“ heißt auch „Seid kühn“, „Fasst Mut“, „Seid zuversichtlich“, „Seid frech“, „Seid verwegen“, „Fürchtet euch nicht“, „Wagt es getrost“, „Vertraut“, „Hofft zuversichtlich“ oder „Glaubt fest“. Es ist damit eine hervorragende Motivation für ein Neues Jahr. Der Text zur Predigt Johannes 16,33 Solches habe ich zu euch geredet, auf daß ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Trübsal; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden! Soweit der Bibeltext. - Dieses Wort hat zwei Seiten: Zum Einen wirkt es bedrohlich auf uns, wenn Jesus hier so lapidar feststellt: In der Welt habt ihr Trübsal … Die Welt, unsere Welt, ein Ort zum Fürchten?! Andererseits hören wir die Worte vom Trost, vom Überwinden, eigentlich also die Worte vom Erfolg aus diesem Text: … aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Jesus spricht diesen Satz im Rahmen seiner Abschiedsreden. Diese Abschiedsreden erfolgen, nachdem er mit den Jüngern das Passahmahl gefeiert hat, also am Donnerstag Abend, in der langen Nacht vor Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung. Auch wenn man die Auferstehung Jesu vor Augen hat, stellt diese Nacht einen schweren Einschnitt im Verhältnis Jesu zu seinen Jüngern dar. Drei Jahre lang ist Jesus mit den Jüngern durch Galiläa, Samaria und Juda gezogen. Er war bei ihnen wie ein guter Freund - sichtbar, manchmal drängend und sie herausfordernd, aber doch immer als derjenige, der ihnen das Reich Gottes plastisch vor Augen stellen konnte. Das wird jetzt zu Ende sein. Er wird zum Vater gehen und nicht mehr sichtbar bei ihnen sein. Auf diese Zeit muss er sie vorbereiten. Aus der großen Dichte der Abschiedsreden wird deutlich, wie voll Jesu Herz ist, welche Verantwortung, aber auch welche Liebe er zu seinen Jüngern verspürt. Jesus hat in dieser Nacht den Jüngern die Füße gewaschen. Er hat den Verräter bezeichnet und weggeschickt. Er hat Judas seinen Verrat auf den Kopf zu gesagt. Und Judas hat nicht geleugnet, sondern er ist gegangen. Und damit war es klar: Die Dinge gehen ihren Gang. Am Ende dieser Nacht ist er in den Garten Gethsemane gegangen ist, wissend, dass der Verräter die Religionspolizei schon auf seine Fährte gesetzt hat. In dieser Nacht wird er verhaftet werden und beim Hahnenschrei werden seine Jünger in alle Winde zerstreut sein und Simon, den er Petrus, Fels, genannt hat, wird ihn verleugnen. In dieser Nacht liegt Jesus viel auf dem Herzen, was er seinen Jüngern noch sagen möchte. Und er stellt seinen Jüngern und damit uns allen in sehr eindringlicher Weise vor Augen, was es heißt, in der Nachfolge zu stehen: Er gibt uns das Bild vom Weinstock Jesus Christus, an dem wir die Reben sind. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. (Johannes 15,5) Er gibt uns das neue Gebot der Liebe: Liebe als Methode der Evangelisation. Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Johannes 13,35) Er bereitet sie auf den Hass der Welt vor: Wenn euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor euch gehaßt hat. (Johannes 15,18) Er sagt ihnen voraus, dass Verfolgung und Martyrium auf die Gemeinde zukommen wird. Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen; es kommt sogar die Stunde, wo jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu erweisen. Und solches werden sie euch tun, weil sie weder den Vater noch mich kennen. Ich aber habe euch solches gesagt, damit, wenn die Stunde kommt, ihr daran denket, daß ich es euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch nicht von Anfang an gesagt, weil ich bei euch war. (Johannes 16,2-4) Diese Prophetie Jesu erleben wir heute vor unseren Augen. Es gibt Menschen, die Selbstmordattentate in christlichen Kirchen machen in der Erwartung, dadurch ins Paradies zu kommen. Diese Taten sind daher nicht nur schrecklich für die Opfer, sondern insbesondere auch für den Täter, weil er sich in seiner Erwartung grausam getäuscht hat. Doppelt schlimm sind sie für die, die diese Menschen verführt haben, die solche Lehren verbreiten. Jakobus sagt über die Lehrer: Werdet nicht in großer Zahl Lehrer, meine Brüder, da ihr wisset, daß wir ein strengeres Urteil empfangen! (Jakobus 3,1) Er spricht dann über die Zunge, die wir kaum in Zaum halten können und kommt dann auf die Streitsucht zu sprechen: Habt ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem Herzen, so rühmet euch nicht und lüget nicht wider die Wahrheit! Das ist nicht die Weisheit, die von oben stammt, sondern eine irdische, seelische, dämonische. Denn wo Neid und Streitsucht regieren, da ist Unordnung und jedes böse Ding. (Jakobus 3,14-16) Dem ist nichts hinzuzufügen, der Ausdruck dämonisch ist selbsterklärend. Jesus kündigt der Gemeinde den Heiligen Geist an: Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbe wird mich verherrlichen; denn von dem Meinigen wird er es nehmen und euch verkündigen. (Johannes 16,13-14) Jesus kündigt uns seine Wiederkehr an: In kurzem werdet ihr mich nicht mehr sehen, und wiederum in kurzem werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater. (Johannes 16,16) - und gibt seinen Jüngern Vollmacht: Und an jenem Tage werdet ihr mich gar nichts fragen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, was irgend ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er wird es euch geben! (Johannes 16,23) Unser Text ist der Schlusssatz dieser inhaltsreichen Predigt Jesu. Zunächst einmal sollten wir sorgfältig hinhören, was Jesus hier eigentlich sagt: In der Welt habt ihr Trübsal; … Dieser Satz klingt im Griechischen etwas anders, weil das Wort, das hier im Urtext steht, Trübsal nur als eine von vielen Bedeutungen kennt. Hier steht ein Wort, das die Bedeutung „Bedrückung, Druck, Bedrängnis, Angst, Drangsal, Trübsal“ hat. Es bezeichnet also nicht so sehr meine Gefühle, es weist auf das hin, das von außen auf mich einströmt: Druck. Druck empfinden und verteilen wir in allen Lebensbereichen: Es gibt sehr subtile, dabei aber sehr wirksame Arten, wie Ehepartner durch Liebesbeweise oder auch Entzug von Liebesbeweisen Druck aufeinander ausüben können. Druck üben wir auch innerhalb der Gemeinde aufeinander aus: So gibt es sensible Menschen, die schon das bekannte Wort aus Hebräer 10,24 als Druck empfinden: und lasset uns aufeinander achten, uns gegenseitig anzuspornen zur Liebe und zu guten Werken, Oder die Frage, ob man bei Anbetungsliedern aufsteht, während der Anbetung die Hände aufhebt, bestimmte Frömmigkeitsstile zeigt, … Immer wieder beklagen sich einzelne Gemeindeglieder, dass sie sich von anderen dadurch unter Druck gesetzt fühlen, es genauso zu machen. Manchmal hat der Druck ja etwas Positives, Produktives. Er bewirkt, dass wir nicht faul werden. „Nun steh? endlich auf!“ am Morgen gesprochen, empfindet mancher als enormen Druck. Eine Stunde später empfindet es derselbe Mensch aber schon als hilfreich, dass er auf diese Weise gedrängt worden ist. Andererseits, wenn wir nur noch unter Druck stehen, gefordert werden, uns einsetzen müssen, meist auch noch unter Zeitdruck, dann empfinden wir das Leben nur noch als Last. Dann geht nicht nur die Freude an der Arbeit verloren, dann sinkt auch unsere Produktivität, von unserer Kreativität ganz zu schweigen. Wir sollten hier einmal anhalten und versuchen, uns ganz persönlich darüber klar zu werden, wo wir diesen zerstörerischen Druck in unserem Leben empfinden. Die Stichworte dazu sind „Bedrückung, Druck, Bedrängnis, Angst, Trübsal, …“ Hier erfolgt eine Pause, primär wohl als Stille, aber vielleicht - eventuell zum Abschluss - auch als Gespräch. Die persönliche Bestandsaufnahme zum Jahreswechsel kann auch eine noch so gut gemeinte Predigt kaum ersetzen. Deshalb sollte in einem Gottesdienst zum Jahresbeginn Raum dafür vorhanden sein. Vielleicht ist dem einen oder anderen in der Stille schon deutlich geworden, dass diffus empfundene Angst ganz reale Ursachen hat. Je mehr ich diese Ursachen vor Augen habe, je deutlicher und klarer ich sie im Gebet vor Gott anspreche, je mehr ich mir die Ursachen bewusst mache und daran arbeite, umso mehr verschwindet dieses diffuse Gefühl der Angst. In Gethsemane beginnt Jesus mit den Worten: „Mein Vater! Ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Dies ist ein Ausdruck seiner großen Bedrängnis, die er, selbst er, der Gottessohn, im Angesicht der nahenden Kreuzigung empfindet. Aber er schließt sein Gebet mit den Worten: „Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39) Selbst er, Jesus, der Gottessohn, hat es nötig, er bringt seine Bedrängnis vor Gott. Aber als er das getan hat, kann er Gottes Willen annehmen und dieses große Wort sprechen: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Dieses will uns etwas lehren im Blick auf das neue Jahr. … aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Schon vor Gethsemane spricht Jesus diesen Satz aus, der uns für das vor uns liegende Jahr Mut machen will. Da er dies Wort am Vorabend der Kreuzigung und damit drei Tage vor der Auferstehung spricht, ist es zu diesem Zeitpunkt noch ein prophetisches Wort. Und für uns wird es bis zur Wiederkunft des Herrn ein prophetisches Wort bleiben, denn es ist noch nicht in allen Dingen sichtbar geworden, im Gegenteil, in vielen Fällen sieht die Welt gar nicht danach aus: … aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Auch hier ist es hilfreich, noch einmal genau auf den griechischen Urtext zu hören, was denn das Wort, das hier mit überwinden übersetzt wird, so alles bedeutet. Da finden wir „siegen, obsiegen, die Oberhand gewinnen, die Oberhand behalten, überlegen sein, besser sein, den Prozess gewinnen, Recht behalten, mit seiner Meinung durchdringen, angenommen werden, besiegen, überwinden, übertreffen, überbieten“. Die Bibel hat gelegentlich den Mut, da mit einer Aufforderung uns herauszufordern, wo wir vorsichtig in uns hineinhorchen, ob sich denn die gewünschten psychischen Veränderungen auch einstellen. So schreibt Paulus an die Philipper ganz locker: „Freuet euch …“ (Philipper 4,4). Da steht eine Aufforderung: „Freuet euch …“, keine kritische Selbstbefragung wie etwa: „Könnt ihr euch denn immer noch freuen in dieser schweren Zeit?“ Nein, die Bibel ist gelegentlich so frei, unseren Gefühlen Anweisungen zu erteilen. So geschieht es auch hier. Jesus sagt: … aber seid getrost, … Man kann auch übersetzen: * Seid kühn * Fasst Mut * Seid zuversichtlich * Seid frech * Seid verwegen * Fürchtet euch nicht * Wagt es getrost * Vertraut * Hofft zuversichtlich * Glaubt fest Diese Formulierungen stammen nicht von mir, weil sie vielleicht am Anfang eines neuen Jahres so gut passen, man findet sie im ganz normalen Wörterbuch von Menge "Griechisch-Deutsch", herausgegeben von Langenscheidt. Paulus spricht dieselbe Ermunterung noch einmal im Römerbrief aus. In Römer 8,35-39 fragt er: Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: «Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, wir sind geachtet wie Schlachtschafe!» Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat! Denn ich bin überzeugt, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgend ein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unsrem Herrn! So lasst uns getrost, mutig und in einem recht verstandenen Sinne auch ein wenig frech in das neue Jahr blicken. Wir wissen und verkünden, dass Jesus Christus allen Druck, alle Bedrängnis, alles Schwere, das dieses Jahr sicherlich auch bringen wird, bereits überwunden hat - dass er es völlig überwunden hat und dass wir es mit ihm überwinden werden. AMEN